Pressefreiheit weltweit – Deutschland nur auf Platz 12

Am 12.02.2015, also vor ungefähr einem Jahr, veröffentlichte die Organisation Reporter ohne Grenzen ihre aktuelle Weltrangliste zur Freiheit der Presse [pdf]. Deutschland landet im oberen Drittel, doch was sind die Mängel?

Quelle: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2015/

Seit 2002 veröffentlicht die Nichtregierungsorganisation ‚‚Reporter ohne Grenzen’’ eine Rangliste fast aller Länder, welche die Pressefreiheit bewertet. Diese basiert auf den Ergebnissen eines zuvor an Medienvertreter ausgeteilten, 18-seitigen Fragebogens.
Ziel der Datenerhebung ist eine umfassende Aufklärung von Missständen, zum Schutz der weltweiten Pressefreiheit.
Jedes Jahr werden die obersten Plätze alle samt von Staaten mit demokratisch verfassten Regierungen, einer funktionierenden Gewaltenteilung und einer unabhängigen Gerichtsbarkeit belegt. Dazu gehört auch Deutschland, allerdings landen wir in diesem Jahr (2015) nur auf Platz 12, hinter Staaten wie Finnland (Platz 1) aber auch Jamaika (9) und Estland (10).

Was sind die Gründe?

Ein Bericht der Organisation, speziell zu der Lage in Deutschland, zählt vier Hauptprobleme auf.
Der erste Aspekt, der 2014 auch für die Öffentlichkeit leicht wahrzunehmen war, ist die in Teilen der Gesellschaft zunehmend feindselig aufkommende Stimmung gegen herkömmliche Nachrichtenmedien.
Diese äußerte sich in Brandanschlägen auf Journalisten und Redaktionen, Anfeindungen und Drohungen auf Demonstrationen, sowie Hassmails und Beschimpfungen in sozialen Medien.
Vertreter von links- und rechtsextremistischen Kreisen zeigten so ihr Misstrauen gegen die Medien als ein fremd empfundenes System.
Zusätzlich beklagten insbesondere Fotojournalisten einen unzureichenden polizeilichen Schutz, wenn sie über Demonstrationen dieser Interessensgruppen berichteten.

Ein weiteres Problem sei die 2014 bekannt gewordene Spionage durch (inter-)nationale Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden.
Dazu gehört zum Beispiel auch der Einsatz einer verdeckten Ermittlerin durch die Kriminalpolizei in Hamburgs linker Szene, sowie die Kooperation des Bundesnachrichtendienstes mit der NSA.
In vielen der Fälle hatte dies eine schwerwiegende Verletzung des Redaktionsgeheimnisses und des Informantenschutzes zur Folge.
„Reporter ohne Grenzen“ beklagte außerdem ein mangelndes Aufklärungsinteresse der Bundesregierung in Bezug auf diese Vorkommnisse.
Auch die geplante Vorratsdatenspeicherung bedrohe zusätzlich grundsätzliche Rechte der Medien.

Der dritte Punkt, der von den Experten in ihrem Lagebericht genannt wird, ist die Finanzierungskrise der Medien in Deutschland. Diese hatte zur Folge, dass 2014 zahlreiche Redaktionen schließen mussten oder zusammengelegt wurden, und damit die Medien- und gleichzeitig auch die Meinungsvielfalt in unserem Land abnahm.
Parallel dazu, war eine Zunahme der Pressestellen von Unternehmen, Verbänden und PR-Agenturen zu beobachten. Diese üben einen wachsenden Einfluss auf die Medien durch Advertorials (Werbeanzeigen, die den Anschein eines redaktionellen Beitrags machen) und ihre Macht als Anzeigenkunden aus.

Zu guter Letzt trägt der mangelhafte rechtliche Schutz bzw. die unzureichende Förderung journalistischer Arbeit durch den Staat zu einer schlechteren Bewertung der Pressefreiheit in Deutschland bei.
So haben Journalisten lediglich einen Minimalanspruch auf Auskunft von Behörden und das Recht auf Akteneinsicht wird umfassend erschwert. Auch seien Whistleblower unzureichend geschützt. Dies behindert die Medien an ihrer Ausübung der Kontrollfunktion.
Auch sei es problematisch, dass die beiden Regierungsparteien (CDU und SPD), alleine die staatlichen Vertretern gestatteten Ämter, in den Führungen der öffentlich rechtlichen Medien, bekleiden. Kleineren Parteien fehlt eine solche Möglichkeit.

Auch wenn Platz 12 von 180 Ländern natürlich immer noch ein sehr gutes Ergebnis ist, wird im Report von ,,Reporter ohne Grenzen’’ also deutlich, das es in Deutschland noch zahlreiche Dinge zu verbessern gilt, um die Lage unserer Medien, mit ihrer Funktion als meinungsbildende, kontrollierende und nicht zu letzt informierende Instanz, aufzubessern.

Von Helena (S2, Profil „System Erde-Mensch“)

Reporter ohne Grenzen: Rangliste der Pressefreiheit 2015

  1. Was ist Reporter ohne Grenzen?

Reporter ohne Grenzen” ist eine Nichtregierungsorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat Verstöße gegen Presse- und Informationsfreiheit zu dokumentieren und öffentlich zu machen. Anschließend werden Maßnahmen und Aktionen in die Wege geleitet, die derartige Missstände verbessern oder bestenfalls beheben sollen. Des Weiteren setzt sich Reporter ohne Grenzen gegen Zensur jeglicher Form ein, sei es in Zeitungen, Fernsehen oder im Internet. Außerdem bieten sie für verfolgte und bedrohte Journalisten und ihre Familien Unterstützung und Schutz, dieser reicht von der Kostenübernahme für zerstörte Ausrüstung, Bezahlung von Anwälte oder Kautionen bis hin zu medizinischer Versorgung nach Misshandlungen. Gewährleistet wird außerdem eine finanzielle Überbrückung nach einem Arbeitsverbot oder einer Entlassung. Auch werden die gefährdeten Journalisten und ihre Familien über Datenschutz aufgeklärt. Die Einsatzorte sind über die ganze Welt verteilt, dies erleichtert ihnen die Suche nach einem sicheren Aufnahmeland, wo die Journalisten ihre Tätigkeit dann wieder ausführen können. Finanziert wird “Reporter ohne Grenzen” ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.

  1. Was ist die Rangliste der Pressefreiheit?

Die Rangliste der Pressefreiheit wurde von “Reporter ohne Grenzen” erstellt, beziehungsweise wird jedes Jahr wieder erstellt und vergleicht die Situation der Medien und Journalisten in 180 von 194 Staaten der Welt. Die Rangliste beruht auf einem in sechs (bzw. sieben) unterschiedliche Abschnitte unterteilten, 87 Fragen umfassenden, Fragebogen [pdf], welcher von Journalisten und weiteren Involvierten im Bereich der Pressefreiheit, in den jeweiligen Ländern ausgefüllt wird. Die Fragen behandeln dabei folgende Themen: Medienvielfalt, Unabhängigkeit der Medien, journalistisches Arbeitumfeld und Selbstzensur, rechtliche Rahmenbedingungen, institutionelle Transparenz so wie Produktionsinfrastruktur. Es werden auch die Bemühungen der Staaten, in Hinsicht auf Respekt gegenüber der unabhängigen Berichterstattung sowie der Sicherstellung ungehinderter Arbeit der Journalisten, gewertet. Dabei werden lediglich Verletzungen der Pressefreiheit in die Rangliste aufgenommen, Menschenrechtsverletzungen werden dabei außen vorgelassen. Der siebte Teilabschnitt, der separat erhoben wird dokumentiert Übergriffe und Gewalttaten gegen Journalisten, Diese Kategorie wird nach festgelegten Kriterien selbst ermittelt. Dort fließen die Zahlen von Journalisten oder Mitarbeitern ein, die während ihrer Arbeit (gewalttätig) inhaftiert, entführt oder sogar getötet wurden, außerdem auch die Zahlen zensierter Medien und ins Exil geflohener Journalisten.

  1. Was soll mit der Rangliste erreicht werden?

Anhand der Rangliste kann zum Beispiel festgestellt werden, ob sich die Lage für Journalisten und unabhängige Medien in der Mehrzahl der Länder, im Vergleich zum Vorjahr, verbessert oder verschlechtert hat. Daraufhin kann ermittelt werden, auf welche Veränderungen dies zurück zuführen ist und ob eventuell Programme geschaffen werden könnten, welche die Ursachen bekämpfen oder voranbringen. Im Jahr 2015 zum Beispiel war eine Verschlechterung in der Mehrzahl der Länder zu vermerken, die Ursache dafür waren vor allem die Unterdrückung und Manipulation der Medien in den Krisengebieten der Welt, wie unter anderem der Ukraine, Syrien oder der Irak. Ein weiteres Problem, weshalb manche Länder einen immer noch vergleichsweise schlechten Rang belegen ist der Missbrauch des angeblich nötigen Schutzes der nationalen Sicherheit durch den Staat, der laut Reporter ohne Grenzen, genau diese Einschränkung der Pressefreiheit dadurch erzielen will.

  1. Warum ist Deutschland auf Platz 12?

Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2015, belegt Deutschland den Platz 12 und liegt damit im oberen Mittelfeld der EU-Staaten. Dabei darf man in Deutschland doch alles schreiben und aussprechen, oder etwa doch nicht? In den letzten Jahren ist die Anzahl an gewalttätigen Übergriffen gegen Journalisten immer weiter gestiegen. Vor allem auf Demonstrationen, meist von Rechtsextremen Strömungen kommt es wiederholt zu Beleidigungen und auch tätlichen Angriffen, gegen die vor Ort oder in den Medien berichteten Journalisten. Auch Drohungen und Hassmails sein wohl keine Seltenheit. Reporter ohne Grenzen macht außerdem auch die Polizei dafür verantwortlich, dass es immer wieder Verletzte gibt, Reporter wurden nur unzureichenden Schutz erhalten. Des Weiteren werden die Journalisten unter anderem durch die Behörden eingeschränkt, die ihnen den Zugang zu bestimmten Akten, durch schleppende Bearbeitung oder hohe Geldgebühren, verweigern. Diese Verweigerung existiert, obwohl eigentlich ein Recht auf Akteneinsicht besteht. (siehe Seite 3) Dadurch ist keine objektive Berichterstattung gewährleistet und eventuelle Missstände können nicht dokumentiert und veröffentlicht werden und beschränkt damit die Presse in ihrer Kontrollfunktion. Aber nicht nur das ein unzureichenden Informationszugang herrscht, dazu kommen noch andere Aspekte wie Beeinträchtigungen durch Polizei und zwar durch verdeckte Ermittlung, aufgrund derer die Ermittler Einblicke in die Arbeit der Presse oder Medien haben und somit auch der Informantenschutz nicht mehr gewährleistet ist. Auch die Vorratsdatenspeicherung würde das Pressegeheimnis und den Informantenschutz stark beeinträchtigen. Momentan wird darüber spekuliert ob in naher Zukunft nicht auch Internetverbindungen kontrolliert werden sollen. Hinzukommen gezielte Ausspionierungen von Pressemitgliedern durch sowohl nationale als auch internationale Geheimdienste wie den BND oder die NSA. Durch diese Vorgehensweisen ist es dem Staat möglich, bestimmt Informationen geheim zu halten. Auch Tatsachen wie die Ablehnung, den Whistleblower Snowden aufzunehmen, beweist, dass in Deutschland ein offenkundiger Unwille zum Aufklären von Missständen herrscht. Das Geheimhalten von solchen Informationen geht soweit, dass Journalisten auch im eigentlich sicheren Ausland digital verfolgt werden. Ein anderes Thema ist außerdem die so genannte schleichende Erosion der Medienwelt. In anderen Worten: Es kommt durch Finanzkrisen zu einem Zusammenlegen von einzelnen Redaktionen, wodurch wiederum, einer der wichtigsten Aspekte, der Meinungspluralismus eingeschränkt wird. Noch dazu wird in vielen Zeitungen mittlerweile auf derart raffinierte Werbung in Artikelform eingebaut, dass der Leser sie kaum von Berichterstattung trennen kann. Kosten für eine solche Werbung liegen im vierstelligen Bereich.

Für uns stellt sich nun die Frage, soll man sich mit diesem Platz zwölf zufrieden geben? ist es überhaupt möglich die Umstände zu verbessern, oder werden wir zwangsläufig weiter abrutschen, auf der Rangliste der Pressefreiheit?

Von Anne (S2, Profil System Erde-Mensch)

Olympi-Jaaaaaa!!!

Montag, 17. März:
„Olympi-Ja“ steht auf der Titelseite einer großen Hamburger Lokalzeitung. Gleich die halbe Titelseite war damit beschrieben. Am Ende: Der Verweis auf viele weitere Seiten. Seiten, auf denen auch Informationen hätten stehen können, die wesentlich interessanter, informativer und wichtiger wären. Denn die Reaktionen verschiedener Leute bei der Bekanntgebung der Bewerberstadt sind ziemlich belanglos.

Nachrichten eines Privatsenders: Oben rechts in der Ecke steht auch „OLYMPI-JAAA“.
Jeder Bus und jede Bahn: „Feuer und Flamme für Spiele in Hamburg“
Briefmarken mit dieser Aufschrift.
Und, und, und…

So langsam reicht es aber auch. Wie soll es denn am Samstag werden, wenn sich der DOSB dann wirklich entscheidet? Oder wenn der IOC Hamburg den Zuschlag gibt? Und wird jetzt weiterhin jeden Tag eine Seite „Olympia in Hamburg“ erscheinen, bis es 2024 endlich vorrüber ist? Außerdem ist es ja noch nicht geschafft, denn drei Hürden sind noch zu nehmen: Samstag, wenn der DOSB entscheidet; der Volksentscheid, wenn die Hamburger abstimmen dürfen; und noch das IOC, der wohl die größte Hürde sein wird.

Ist das nicht doch zu viel Euphorie?

Kommentar: Warum Hamburg nur verlieren kann

„Feuer und Flamme für die Spiele in Hamburg. Weil Hamburg nur gewinnen kann.“ Unabhängig davon, dass Hamburg den Entscheid wo die Spiele ausgetragen werden „nur gewinnen kann“, kann Hamburg in vielen Bereichen nur verlieren. Es gibt viele Gefahren die eine Bewerbung birgt, u.a. finanzielle, soziale oder bautechnische.

Es bestehen u.a. Probleme mit dem Internationalen Olympischen Komitee. (IOC). Das IOC legt der austragenden Stadt einen Vertrag vor, durch den es die Vorgaben macht was wie und wann ausgetragen werden soll, die Stadt hat fast keinerlei eigene Rechte und Selbstbestimmung mehr. Das IOC steht in der Kritik einen autokratischen Führungsstil zu betreiben, korrupt und intransparent zu sein und die Meinungsfreiheit (u.a. die der austragenden Städte) einzuschränken. Die olympischen Spiele sind besonders für nationale und internationale Unternahmen und Sponsoren, besonders für das IOC. In den vergangenen 30 bis 40 Jahren musste in erster Linie der Steuerzahler für die Gesamtkosten der olympische Spiele aufkommen, Folgen der Spiele waren, dass Mieten, Immobilienpreise und Lebenserhaltungskosten gestiegen sind und arme, geringverdienende Menschen aus der Stadt vertrieben worden sind.(Vergleich: Die Linke-Hamburg: NOlympia in Hamburg, PDF-Datei)

Rückblickend kann gesagt werden, dass in fast allen Fällen die Austragung der Spiele einen negativen Effekt auf die Haushaltslage der Stadt bzw. des Landes hatte und die tatsächlichen Kosten bei weitem die kalkulierten überstiegen. Teilweise kamen Abweichungen von 1400 %, hauptsächlich durch Kostensteigerungen bei Baumaßnahmen zustande. Zudem nahmen in fast allen Fällen die Umweltbelastungen durch zunehmende Verkehrsbelastung vor und während der Austragungsphase zu. (Vergleich: Die Linke-Hamburg: NOlympia in Hamburg, PDF-Datei) 

Man könnte die Liste von Gefahren, Nachteilen und Risiken die eine Ausführung der paralympischen und olympische Spielen mit sich bringen würde noch weit ausdehnen doch abschließend möchte ich Hamburg bitten, Zeit, Geld, Leidenschaft und Energie in kleiner gesteckte und wichtigere Maßnahmen, wie beispielsweise die Flüchtlingspolitik, zu stecken.

Die Dame in den schwarzen ledernen Schnürschuhen

Dame mit SchnuerschuhenAltenheime in Deutschland

Die Geschichte der Dame in den ledernen schwarzen Schnürschuhen (siehe Bild links) wurde mithilfe meiner Erinnerungen an das Altenheim meiner Großmutter erschaffen. Als Kind konnte ich mir niemals vorstellen, in einem solchen Heim zu leben. Jedes Mal beim Betreten des sterilen, sauberen Gebäudes fühlte ich mich eingeengt, in einer seltsam gedämpften Stimmung. Ich empfand die Einrichtung als äußerst unpersönlich und unangenehm förmlich. Heute frage ich mich, warum dieses Gebäude so auf mich gewirkt hat und wie es hinter diesem unbestimmten Eindruck aussieht.

Vielen Einrichtungen für Altenbetreuung fehlt es an Personal, laut „Die Welt“ beschäftigt jedes vierte Heim zu wenig. Die Patienten aber müssen gepflegt werden, sie sind auf Unterstützung angewiesen. Doch in nicht seltenen Fällen werden sie ruhig gestellt, mit hohen Dosen  Psychopharmaka vollgepumpt, an Bett oder Rollstuhl fixiert. Die Versorgung der Menschen, die eigentlich Liebe und Zeit braucht, Medikamenten- und Essensvergabe, Waschen, Reden, Zuhören, geht schnell und unter Zeitdruck vonstatten, es versorgen häufig zwei Pfleger ca. 25 Bewohner.

Doch auch andere drastische Probleme gibt es in manchen Altenheimen. Gewichtsverluste durch unzureichende Ernährung, Wundliegen oder Unterernährung sind nur einige Beispiele. Umstände wie diese führten laut einem Bericht des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) zu einer Zahl von 10.000 Todesfällen im Jahr 2004 durch mangelhafte Versorgung.

Quellen:
http://www.welt.de/wirtschaft/article13638899/Korruption-und-Betrug-der-grosse-Altenheim-Report.html
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/probleme-bei-pflege-erneut-maengel-in-einem-seniorenheim-1.1062514
http://www.zdf.de/Volle-Kanne/Pflegenotstand-im-Altenheim-6871444.html


 

Interview mit einem Zivildienstleistenden einer Altenpflegeeinrichtung

Hier folgt ein Interview mit einem ehemaligen Zivildienstleistenden, damals 19 Jahre alt, der ein halbes Jahr in einer Altenpflege- und Wohneinrichtung Erfahrungen sammelte und über seine Zeit dort berichtet.

1. Was hatten Sie für Aufgaben in Ihrem Pflegebereich?

Ich war in der „Beschäftigungstherapie“ – also habe ich sehr verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Es gab jede Woche einen festen Wochenplan, der z.B. Kegeln, Singen oder Basteln für Senioren beinhaltete. Aber es gab auch jede Woche einen Markttag, an dem ich gehbehinderte Personen begleitet habe, ihre wöchentlichen Einkäufe zu tätigen. Zusätzlich war auch jeden Tag eine Zeit für „Bewohnerbesuche“ vorgesehen, bei denen ich z.B. mit den Senioren sprechen oder z.B. mit ihnen Gesellschaftsspiele spielen konnte. Außerdem gab es ca. alle zwei Monate einen Ausflug mit einem Kleinbus, bei dem ich gehbehinderten Personen die Mitfahrt ermöglicht habe.

2. Was für einen Eindruck hatten Sie von den Patienten?  Waren sie sich bewusst, wie sie gelebt haben? Haben sie es hingenommen, wie sie dort leben, leben müssen und behandelt werden, oder haben sie sich geäußert, sich bedankt oder beschwert, eine Rückmeldung gegeben…?

Es gab natürlich viele verschiedene Heimbewohner. Zu den fünf normalen Wohnbereichen gab es auch einen gesonderten Demenzbereich. Dieser wurde gesondert behandelt. Wer aber wollte, konnte auch unter Anleitung und besonderer Betreuung an den allgemeinen Aktivitäten in der Beschäftigungstherapie teilnehmen. Im Prinzip waren die Bewohner sehr gemischt. Jeder hatte seine eigene Vergangenheit und so auch seine persönlichen Eigenheiten. Körperlich waren die meisten Heimbewohner aber eher eingeschränkt. Als Mitarbeiter in der Beschäftigungstherapie hatte ich aber die Aufgabe, sowohl körperlich fitte Personen zu unterhalten als auch Besuche bei z.B. bettlägerigen Bewohnern durchzuführen, damit diese nicht in ihrem Zimmer vereinsamen. So hatte ich im Groben natürlich immer mehr Kontakt mit den Personen, die keine eigene Familie mehr hatten oder generell wenig Besuch bekamen. Zu den anderen Fragen lässt sich keine generelle Antwort formen, denn, wie gesagt, sind alle Heimbewohner sehr unterschiedlich in ihrem Auftreten und ihren Eigenheiten.

3. Hat das Arbeiten in dem Altenheim Ihre Sicht oder Ihr Verständnis auf das Thema Altenheime beeinflusst, hat es einen Eindruck auf Sie hinterlassen oder Sie Erfahrungen machen lassen

Ja, natürlich hat die Einsicht in den Betrieb eines Seniorenheims von innen meinen Eindruck verändert bzw. beeinflusst. Der größte Negativaspekt ist sicher der Kosten- und der damit verbundene Zeitdruck im Regelbetrieb. An allen Ecken und Enden muss gespart werden. Dies hat sich vor allem für mich darin bemerkbar gemacht, dass das Pflegepersonal z.T. extrem häufig gewechselt hat und damit die Stimmung unter den Bewohnern sehr beeinträchtigt war. Eine konstante Pfleger – Bewohner – Beziehung konnte nur in den seltensten Fällen aufgebaut werden. Allerdings ist in Zeiten, wo die Bevölkerung durchschnittlich immer älter wird, dabei aber auch immer weniger Kinder hat, ein Seniorenheim sehr wichtig. Viele Personen, die eventuell alleine zu Hause ohne die familiäre Unterstützung kaum zurecht kommen würden, können in einem solchen Heim durchaus den Anschluss zur Gesellschaft wahren. Aber meines Erachtens liegt die Zukunft vom Leben im Alter in kleinen Wohngemeinschaften, die z.B. täglich durch einen mobilen Pflegedienst unterstützt werden. Es liegen doch einfach zu große Nachteile in gewinnorientierten großen Pflegeheimen.

4. Gab es ein Erlebnis, das Sie nachhaltig geprägt hat?( Eine besondere Erfahrung, ein Moment, ein Gespräch, eine Begegnung…?) (positiv/negativ)

Das, was mich am meisten geprägt hat, war sicher der Umgang mit dem Personal. In einem halben Jahr Arbeitszeit habe ich ca. 20 Kündigungen bzw. eine Nichtverlängerung von Jahresverträgen mitbekommen. Es erschien so, als wäre es eine Masche, das Personal nur zwei Jahre in Zeitverträgen zu halten und Festanstellungen zu vermeiden, sodass die Leute nach spätestens zwei Jahren aus dem Betrieb entlassen wurden.

Außerdem war das wahnsinnig schlechte Großküchenessen eine Frechheit den Bewohnern gegenüber. Es war sehr durchgekocht, wurde morgens einfach aufgetaut und dann warm gemacht, das hätte man eigentlich nicht durchgehen lassen dürfen!

Positiv haben mich die Gespräche mit Bewohnern geprägt – die Bewohner waren zum Teil sehr interessante Menschen, mit denen man sich unterhalten und deren persönliche Lebensgeschichte man erfahren konnte. In Seniorenheimen kann man noch die letzten Zeitzeugen des Dritten Reiches antreffen. So hat man die Möglichkeit, spannende Gespräche und Erzählungen zu der Zeit zu führen. Es war schön, ihnen im Alltag zu helfen, zum Beispiel beim Einkaufen oder Ausflüge mit ihnen zu machen, was sie ohne mich nicht geschafft hätten.

5. Welche Probleme und Schwachstellen sehen Sie an der Einrichtung Altenheim?

Die Gewinnorientierung und die Größe solcher Betriebe. Mit der Pflege sollte kein Profit gemacht werden. Als erstes muss das schlecht bezahlte und meist unterbesetzte Personal darunter leiden. Danach kommen gleich die Bewohner, die sich immer wieder an neue Leute gewöhnen müssen und häufig wegen des Zeitdrucks nur sehr kurz betreut werden.

6. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie an dem System und der Organisation der Altenheime ändern wollen?

–      kleinere Pflegebereiche

–      geschultes, angemessen bezahltes, festes Personal für feste Bereiche

–      keine Gewinnorientierung der Eigentümer

–      mehr Offenheit für neue Betreuungskonzepte

–      Gründung von Wohngemeinschaften für Senioren

–      mehr Pflegedienste zu Hause