Die Dame in den schwarzen ledernen Schnürschuhen

Dame mit SchnuerschuhenAltenheime in Deutschland

Die Geschichte der Dame in den ledernen schwarzen Schnürschuhen (siehe Bild links) wurde mithilfe meiner Erinnerungen an das Altenheim meiner Großmutter erschaffen. Als Kind konnte ich mir niemals vorstellen, in einem solchen Heim zu leben. Jedes Mal beim Betreten des sterilen, sauberen Gebäudes fühlte ich mich eingeengt, in einer seltsam gedämpften Stimmung. Ich empfand die Einrichtung als äußerst unpersönlich und unangenehm förmlich. Heute frage ich mich, warum dieses Gebäude so auf mich gewirkt hat und wie es hinter diesem unbestimmten Eindruck aussieht.

Vielen Einrichtungen für Altenbetreuung fehlt es an Personal, laut „Die Welt“ beschäftigt jedes vierte Heim zu wenig. Die Patienten aber müssen gepflegt werden, sie sind auf Unterstützung angewiesen. Doch in nicht seltenen Fällen werden sie ruhig gestellt, mit hohen Dosen  Psychopharmaka vollgepumpt, an Bett oder Rollstuhl fixiert. Die Versorgung der Menschen, die eigentlich Liebe und Zeit braucht, Medikamenten- und Essensvergabe, Waschen, Reden, Zuhören, geht schnell und unter Zeitdruck vonstatten, es versorgen häufig zwei Pfleger ca. 25 Bewohner.

Doch auch andere drastische Probleme gibt es in manchen Altenheimen. Gewichtsverluste durch unzureichende Ernährung, Wundliegen oder Unterernährung sind nur einige Beispiele. Umstände wie diese führten laut einem Bericht des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) zu einer Zahl von 10.000 Todesfällen im Jahr 2004 durch mangelhafte Versorgung.

Quellen:
http://www.welt.de/wirtschaft/article13638899/Korruption-und-Betrug-der-grosse-Altenheim-Report.html
http://www.sueddeutsche.de/muenchen/probleme-bei-pflege-erneut-maengel-in-einem-seniorenheim-1.1062514
http://www.zdf.de/Volle-Kanne/Pflegenotstand-im-Altenheim-6871444.html


 

Interview mit einem Zivildienstleistenden einer Altenpflegeeinrichtung

Hier folgt ein Interview mit einem ehemaligen Zivildienstleistenden, damals 19 Jahre alt, der ein halbes Jahr in einer Altenpflege- und Wohneinrichtung Erfahrungen sammelte und über seine Zeit dort berichtet.

1. Was hatten Sie für Aufgaben in Ihrem Pflegebereich?

Ich war in der „Beschäftigungstherapie“ – also habe ich sehr verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Es gab jede Woche einen festen Wochenplan, der z.B. Kegeln, Singen oder Basteln für Senioren beinhaltete. Aber es gab auch jede Woche einen Markttag, an dem ich gehbehinderte Personen begleitet habe, ihre wöchentlichen Einkäufe zu tätigen. Zusätzlich war auch jeden Tag eine Zeit für „Bewohnerbesuche“ vorgesehen, bei denen ich z.B. mit den Senioren sprechen oder z.B. mit ihnen Gesellschaftsspiele spielen konnte. Außerdem gab es ca. alle zwei Monate einen Ausflug mit einem Kleinbus, bei dem ich gehbehinderten Personen die Mitfahrt ermöglicht habe.

2. Was für einen Eindruck hatten Sie von den Patienten?  Waren sie sich bewusst, wie sie gelebt haben? Haben sie es hingenommen, wie sie dort leben, leben müssen und behandelt werden, oder haben sie sich geäußert, sich bedankt oder beschwert, eine Rückmeldung gegeben…?

Es gab natürlich viele verschiedene Heimbewohner. Zu den fünf normalen Wohnbereichen gab es auch einen gesonderten Demenzbereich. Dieser wurde gesondert behandelt. Wer aber wollte, konnte auch unter Anleitung und besonderer Betreuung an den allgemeinen Aktivitäten in der Beschäftigungstherapie teilnehmen. Im Prinzip waren die Bewohner sehr gemischt. Jeder hatte seine eigene Vergangenheit und so auch seine persönlichen Eigenheiten. Körperlich waren die meisten Heimbewohner aber eher eingeschränkt. Als Mitarbeiter in der Beschäftigungstherapie hatte ich aber die Aufgabe, sowohl körperlich fitte Personen zu unterhalten als auch Besuche bei z.B. bettlägerigen Bewohnern durchzuführen, damit diese nicht in ihrem Zimmer vereinsamen. So hatte ich im Groben natürlich immer mehr Kontakt mit den Personen, die keine eigene Familie mehr hatten oder generell wenig Besuch bekamen. Zu den anderen Fragen lässt sich keine generelle Antwort formen, denn, wie gesagt, sind alle Heimbewohner sehr unterschiedlich in ihrem Auftreten und ihren Eigenheiten.

3. Hat das Arbeiten in dem Altenheim Ihre Sicht oder Ihr Verständnis auf das Thema Altenheime beeinflusst, hat es einen Eindruck auf Sie hinterlassen oder Sie Erfahrungen machen lassen

Ja, natürlich hat die Einsicht in den Betrieb eines Seniorenheims von innen meinen Eindruck verändert bzw. beeinflusst. Der größte Negativaspekt ist sicher der Kosten- und der damit verbundene Zeitdruck im Regelbetrieb. An allen Ecken und Enden muss gespart werden. Dies hat sich vor allem für mich darin bemerkbar gemacht, dass das Pflegepersonal z.T. extrem häufig gewechselt hat und damit die Stimmung unter den Bewohnern sehr beeinträchtigt war. Eine konstante Pfleger – Bewohner – Beziehung konnte nur in den seltensten Fällen aufgebaut werden. Allerdings ist in Zeiten, wo die Bevölkerung durchschnittlich immer älter wird, dabei aber auch immer weniger Kinder hat, ein Seniorenheim sehr wichtig. Viele Personen, die eventuell alleine zu Hause ohne die familiäre Unterstützung kaum zurecht kommen würden, können in einem solchen Heim durchaus den Anschluss zur Gesellschaft wahren. Aber meines Erachtens liegt die Zukunft vom Leben im Alter in kleinen Wohngemeinschaften, die z.B. täglich durch einen mobilen Pflegedienst unterstützt werden. Es liegen doch einfach zu große Nachteile in gewinnorientierten großen Pflegeheimen.

4. Gab es ein Erlebnis, das Sie nachhaltig geprägt hat?( Eine besondere Erfahrung, ein Moment, ein Gespräch, eine Begegnung…?) (positiv/negativ)

Das, was mich am meisten geprägt hat, war sicher der Umgang mit dem Personal. In einem halben Jahr Arbeitszeit habe ich ca. 20 Kündigungen bzw. eine Nichtverlängerung von Jahresverträgen mitbekommen. Es erschien so, als wäre es eine Masche, das Personal nur zwei Jahre in Zeitverträgen zu halten und Festanstellungen zu vermeiden, sodass die Leute nach spätestens zwei Jahren aus dem Betrieb entlassen wurden.

Außerdem war das wahnsinnig schlechte Großküchenessen eine Frechheit den Bewohnern gegenüber. Es war sehr durchgekocht, wurde morgens einfach aufgetaut und dann warm gemacht, das hätte man eigentlich nicht durchgehen lassen dürfen!

Positiv haben mich die Gespräche mit Bewohnern geprägt – die Bewohner waren zum Teil sehr interessante Menschen, mit denen man sich unterhalten und deren persönliche Lebensgeschichte man erfahren konnte. In Seniorenheimen kann man noch die letzten Zeitzeugen des Dritten Reiches antreffen. So hat man die Möglichkeit, spannende Gespräche und Erzählungen zu der Zeit zu führen. Es war schön, ihnen im Alltag zu helfen, zum Beispiel beim Einkaufen oder Ausflüge mit ihnen zu machen, was sie ohne mich nicht geschafft hätten.

5. Welche Probleme und Schwachstellen sehen Sie an der Einrichtung Altenheim?

Die Gewinnorientierung und die Größe solcher Betriebe. Mit der Pflege sollte kein Profit gemacht werden. Als erstes muss das schlecht bezahlte und meist unterbesetzte Personal darunter leiden. Danach kommen gleich die Bewohner, die sich immer wieder an neue Leute gewöhnen müssen und häufig wegen des Zeitdrucks nur sehr kurz betreut werden.

6. Wenn Sie die Möglichkeit hätten, was würden Sie an dem System und der Organisation der Altenheime ändern wollen?

–      kleinere Pflegebereiche

–      geschultes, angemessen bezahltes, festes Personal für feste Bereiche

–      keine Gewinnorientierung der Eigentümer

–      mehr Offenheit für neue Betreuungskonzepte

–      Gründung von Wohngemeinschaften für Senioren

–      mehr Pflegedienste zu Hause